Berichtspflichten

„Bürokratieabbau sollte als Chance genutzt werden“

Um den Bürokratieabbau zu beschleunigen, will die EU das Lieferkettengesetz und die Nachhaltigkeitsberichterstattung verschieben. Warum das besser klingt, als es ist und wie gerade kleinen und mittelgroßen Unternehmen besser geholfen werden könnte, sagt EU-Parlamentarier René Repasi (SPD) im Interview.

Porträt von René Repasi, Vorsitzender der SPD-Abgeordneten im Europäischen Parlament und Experte für Bürokratieabbau

24.04.2025

DUP UNTERNEHMER-Magazin: Die EU-Kommission will das Lieferkettengesetz aufschieben. Bringt das für Unternehmen wirklich eine Erleichterung?

René Repasi: Der Teil im Omnibus-Vorschlag der EU-Kommission über das EU-Lieferkettengesetz ist – im Gegensatz zu seinen anderen Teilen über die Nachhaltigkeitsberichterstattung – weder Vereinfachung noch Abbau von Berichtspflichten. Er entkernt die Lieferkettenrichtlinie und macht sie zahnlos. Wenn der Vorschlag so angenommen würde, wären konkrete Handlungspflichten und deren Durchsetzung deutlich geschwächt oder abgeschafft und das, obwohl die Richtlinie noch nicht mal in den Mitgliedstaaten umgesetzt ist. 
Deutsche Unternehmen, die sich bereits auf das in Teilen geltende Recht eingestellt und Investitionsentscheidungen getroffen haben, werden durch diesen Vorschlag verunsichert, und zwar nicht im Hinblick auf das aktuelle Vorhaben, sondern wie sehr sie noch darauf vertrauen können, dass die eigentlich politisch gewollte Umstellung auf nachhaltige Geschäftsmodelle noch ein Wettbewerbsvorteil bleibt.

Sie kritisieren, dass Lobbyisten zu oft Einfluss nähmen auf die Abschaffung von Verordnungen und Gesetzen und fordern, bürokratische Hürden vor allem für KMU abzubauen. Mit welchen Maßnahmen kann Bürokratieabbau gelingen? 

Repasi: Die Lieferkettenrichtlinie soll für besonders große Unternehmen, die in der EU tätig sind, gelten. KMUs sind nur indirekt betroffen. Sie sind aber zu oft Opfer einer Praxis von Großunternehmen, die Erfüllung ihrer Sorgfaltspflichten auf kleine und mittlere Unternehmen in ihren Lieferketten durchzureichen. Dazu müssen KMU ein Abwehrrecht bekommen und dieses durchsetzen können. Die nationalen Aufsichtsbehörden müssen das effektiv verhindern können.

Wie kann Bürokratieabbau mit ehrgeizigen Klimazielen in Einklang gebracht werden?

Repasi: Den Klimawandel und die Wettbewerbsfähigkeit getrennt zu betrachten, wäre ein schwerwiegender Fehler. China führt bereits in grünen Technologien. Europa darf dem gegenüber nicht zu einem Industriemuseum werden. Bürokratieabbau sollte zudem als Chance genutzt werden, um in Digitalisierung zu investieren, Lieferketten zu diversifizieren und so deutschen und europäischen Unternehmen Wettbewerbsvorteile zu verschaffen.
Vereinfachung muss hier auch heißen, dass Berichts- und Dokumentationspflichten mit digitalen Tools oder auch mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz schnell und unkompliziert erfüllt werden können. Wenn es uns gelingt, nachhaltige Lieferketten zu bauen, erwarte ich klare Vorteile für die europäische Wirtschaft und die Wettbewerbsfähigkeit nachhaltiger Geschäftsmodelle. Wir müssen daraufhin wirken, dass die Nachhaltigkeit von Lieferketten und deren Nachweis im Selbstinteresse von Unternehmen liegen, anstatt dass diese als reine Pflicht verstanden werden.

Professor Dr. René Repasi

ist Vorsitzender der SPD-Abgeordneten im Europäischen Parlament